CALCIUMVERSORGUNG
IM MEERWASSERAQUARIUM

Die geschätzten 2 Millionen Quadratkilometer Korallenriffe haben Kalkbildungsraten im Riffdach pro Jahr zwischen 3 und 5 kg Calciumcarbonat pro m2. Der Calciumgehalt liegt bei 400 - 420 mg/l , die Karbonathärte um 8°.

Dieser Kalifizierung genannte Prozeß des Skelettaufbaus von Korallen und Kalkrotalgen kann durch folgende chemische Reaktionsgleichung wiedergegeben werden:

Ca2+ + 2HCO3 = Ca(HCO3)2 = CaCO3 + H2CO3
Calcium + Hydrogencarbonat = Calciumhydrogencarbonat = Calciumcarbonat + Kohlensäure
Man sieht an dieser Gleichung, daß für die Kalksynthese zwei Ausgangsstoffe notwendig sind: Calcium und Hydrogencarbonat. Aus deren Umsetzung über das Calciumhydrogencarbonat resultiert Kalk und Kohlensäure. Die Kohlensäure wird von der symbiotischen Alge verbraucht, das übrigbleibende Calciumcarbonat kann dann dem Skelettaufbau dienen, es wird von den Korallen auf einer Matrix aus Proteinen abgelagert.

Das Erkennen dieses Zusammenhanges stellte meines Erachtens den entscheidenden Schritt in der Meerwasseraquaristik dar, welchem wir es verdanken, dieses Hobby mittlerweile mit so großen Erfolgen auszuüben.

Wir kennen im Prinzip 4 verschiedene Methoden, das verbrauchte Calcium dem Aquariensystem wieder zuzuführen:

1) das CaCl2 / NaHCO3 - Verfahren (Calciumchlorid und Natriumhydrogencarbonat)
2) Kalkwasserzugabe
3) Kalkwasser in Verbindung mit einer Kohlendioxidzugabe
4) C02- Kalkreaktor
 
Methode 1 geht von 2 chemischen Verbindungen aus, von welchen 2 Stammlösungen zur Nachdosierung hergestellt werden: Calciumchlorid (CaCl2) und Natriumhydrogencarbonat (NaHCO3). Die Erhöhung des Calciumgehaltes ist mit dieser Methode am schnellsten zu erreichen. Von Vorteil ist diese Methode, wenn Aquarien nur über eine sehr geringe Verdunstungsrate verfügen welche den Einsatz von Methode 2), die Kalkwasserzugabe, in ausreichender Menge ausschließt. (48 ml dieser Lösung entsprechen 1 I Kalkwasser!). Darüber hinaus hat diese Methode im Gegensatz zur Kalkwasserzugabe keine u. U. drastische Auswirkung auf den PH Wert.

Beide Lösungen sind für sich getrennt aufbewahrt chemisch stabil. Da jedes Calciumion wie aus obiger Gleichung ersichtlich zwei Hydrogencarbonat-Ionen benötigt, um Calciumhydrogencarbonat zu bilden, ist unter Berücksichtigung der Elementmassen je Mol ein Gewichtsverhältnis von 7 zu 8 anzuwenden (Calciumchlorid-Dihydrat zu Natriumhydrogencarbonat) .

Fast scheint es, die ideale Lösung sei gefunden, wäre da nicht ein kleiner Haken, betrachten wir uns die Reaktionsgleichung:

CaCl2 + 2 NaHCO3 = Ca2+ + 2HCO3 + 2 NaCl
Calciumchlorid + Natriumhydrogencarbonat = 
Calcium + Hydrogencarbonat + Kochsalz
Pro Gramm Calcium fallen also darüber hinaus ca. 2,9 g Kochsalz an! Entgegen den Calcium und Hydrogencarbonat-Ionen, die ja durch Kalifizierung und Skelettaufbau verbraucht werden, wird das Natriumchlorid jedoch im Aquarienwasser angereichert. Auf den ersten Blick erscheint dies vernachlässigbar, sind diese Salze (Natrium + Chlorid) sowieso die Hauptbestandteile des Meerwassers.

Zwar kann durch Wasserwechsel der resultierende Dichteanstieg ausgeglichen werden, nicht aber das Verhältnis der einzelnen Ionen zueinander. Auf den ersten Blick ist die zugeführte Menge zwar sehr klein, aber auf das ganze Jahr umgerechnet doch nicht zu unterschätzen.

Es ist heute noch unklar, inwieweit die Toleranz von Wirbellosen geht, dieses Änderung eines seit Jahrmillionen bestehenden Gleichgewichtes zu tolerieren.

Teilweise Abhilfe schafft der Einsatz einer natriumchloridfreiem Meersalzmischung. Durch Verwendung dieses Salzes kann bei Wasserwechseln diese Verschiebung wieder aufgehoben werden. 36,8 % der zugesetzten Menge bleiben als Natriumchlorid in Lösung Von dieser Menge müssen wiederum 42,3 % aus natriumchloridfreiem Meersalz zugesetzt werden.

Die vorgenannte Methode setzt also voraus, daß der Aquarianer die lonenzusammensetzung kennt bzw. permanent nachrechnet, welche Mengen er ausgleichen muß. Ob er dies auf Dauer wirklich tut bzw. tun will kann nur jeder Aquarianer für sich selbst beantworten.

Methode 2 die Kalkwasserzugabe ist wohl die älteste gebräuchliche Methode und wurde von Wilkens bereits in den 70ern propagiert. Kalkwasser ist eine gesättigte Lösung aus Calciumhydroxid Ca(OH)2 und Wasser. Es stellt allerdings nur eines der für die Kalifizierung benötigten Ionen zur Verfügung gestellt, Ca2+, also das Calciumion, störende Ionen wie bei Methode 1) fallen allerdings weg (die entstehenden OH Ionen werden durch die Pufferkapazität des Wassers neutralisiert, wenn nicht überdosiert wird).

Hierbei sind nicht nur die Ca2+ Ionen sondern auch die entstehenden Hydroxid - Ionen vorteilhaft, da organische Säuren aus Abbauprozessen neutralisiert werden, die sonst die Pufferkapazität herabsetzen würden.

Die Reaktionsgleichung sieht hier wie folgt aus:

Ca(OH)2 + H2O = Ca2+ + 2OH- + H2O
Calciumhydroxid + Wasser = Calcium + Hydroxid + Wasser
Ist freie Kohlensäure verfügbar, laufen im Kalkwasser folgende weitere Reaktionen ab:

Ca2+ + 2OH- + CO2 = Ca2+ + CO3/2- + H2O und weiter Ca2+ + CO3/2- = CaCO3, d.h. unter Zuführung von Kohlensäure fällt unser Calcium als Calciumcarbonat aus, der pH Wert fällt. Ist dieser unter 10, beträgt der Anteil an Ca2+ nur noch 5 bis 6 mg/l, bei diesem Wert ist das Kalkwasser praktisch nutzlos. Angesetztes Kalkwasser muß aus diesem Grunde daher immer fest verschlossen aufbewahrt werden, da es aufgrund seines basischen pH-Wertes CO2 aus der Luft anzieht.

Wird das Kalkwasser dem Aquarium zugeführt, entsteht Calciumhydrogencarbonat (CO3/2- und HCO3 sind im Aquarienwasser bereits enthalten) Ca2+ + HCO3 = Ca(HCO3)+, dies ist natürlich abhängig von der zur Verfügung stehenden HCO3 Menge.

Bei Übersteigen der Löslichkeitsgrenze (Zugabe von zuviel Ca2+ oder HCO3) fällt CaCO3 milchig trüb aus.

Das Hydroxid ist stark basisch und läßt den pH Wert steigen, bei gesättigtem Kalkwasser (in 1 I Wasser von 20°C lösen sich 1,26 g) auf pH 12,4. Es darf deshalb nie in großen Mengen zugesetzt werden, da es zu starkem pH - Anstieg im Becken kommen kann, da die OH Ionen vom Puffersystem dann nicht mehr neutralisiert werden können.

Aufgrund des alkalischen pH Wertes sollte nur in Dunkelphasen (pH wegen CO2 Produktion am niedrigsten) und nur in kleinen Schüben ("Tröpfchenmethode') zugeführt werden.

Ein weiterer zu nennender Vorteil dieser Methode ist auch die Ausfällung von organischen Phosphaten.

Die Instabilität dürfte als größter Nachteil der Kalkwassermethode betrachtet werden, am effektivsten ist es daher, es täglich neu anzusetzen. Dies verbunden mit der zu empfehlenden Tröpfchenmethode (bei einem 700 l Becken kann als Erfahrungswert von einem Bedarf von 5 1/ Tag ausgegangen werden), welche doch einen nicht unerheblichen täglichen Aufwand erfordert, machen diese Methode zudem recht anfällig für unterschiedliche Motivationslagen des Pflegers.

Methode 3 unterscheidet sich von vorgenannter Kalkwasserzugabe durch den zusätzlichen CO2 Eintrag ins Becken. Das zugeführte CO2 stellt so den zweiten Grundbaustein der Kalifizierung zur Verfügung. Durch eine Steuerung wird verhindert, daß der pH-Wert im Becken über den eingestellten Toleranzwert nach oben oder unten steigt.

Bei Anwesenheit von Algennährstoffen (Nitrat, Phosphat) besteht allerdings die Gefahr, daß es zu einem unerwünschten Fadenalgenwachstum kommt, nährstoffarmes Wasser ist also eine wichtige Voraussetzung bei Anwendung dieser Methode.

Eine sehr gutes elektronisches Meß- und Regelsystem (Meßgenauigkeit, nicht Anzeigegenauigkeit!) sind ein absolutes Muß, da eine falsche CO2 Dosierung katastrophale Folgen für das System haben kann.

Methode 4 ist die Zuführung von Calciumhydrogencarbonat mittels Kalkreaktor. In diesem wird Calciumcarbonat, welches in Form von Korallenskeletten eingefüllt wird, unter Zuführung von Kohlensäure gelöst und somit beide Bausteine der Kalifizierung wieder freigesetzt: Ca2+ Ionen und Hydrogenkarbonat. Die Reaktionsgleichung ist praktisch gleich der Kalifizierung (s.o.).

Die ersten Modelle waren jedoch wenig erfolgversprechend. Sie bestanden aus großen Säulen, welche mit Korallenbruch befüllt waren. Das Wasser wurde wie bei einem Abschäumer durchgeleitet und tatsächlich aus der Erhöhung des Calciumhydrogencarbonates resultierend eine Erhöhung der Karbonathärte um wenige Grad festgestellt. Das Problem was mit dieser Ausführung aber nicht in den Griff zu bekommen war, war die große Menge freier Kohlensäure, welche das Auslaufwasser enthielt, der pH Wert betrug 6,8 (bei CO2 Sättigung).

Erst, als man auf die Idee kam, das Wasser nicht nur einmal sondern permanent über das Substrat zu leiten, war eine praktikable und effektive Lösung gefunden.

Info Kalkreaktorbaureihe KORALLIN

Wird z.B. dem Korallin C 1500 0,5 1 in der Stunde entnommen, wurde dieser vorher 600 mal über das Substrat geleitet, bei einer Füllhöhe von 30 cm entspricht dies bei Einfachdurchleitung einer Rohrlänge von 180 Metern!

Die hieraus resultierende hohe Calciumhydrogencarbonatmenge (30 - 40° KH) ermöglicht es, nur wenig Wasser dem Reaktor entnehmen zu müssen, da ja auch dessen Innenleben einen pH Wert von 6,8 hat. In der Regel genügen hier schon 30 Tropfen in der Minute, um den gewünschten Effekt zu erzielen.

Bei der konstruktiven Auslegung sollte allerdings unbedingt darauf geachtet werden, daß überschüssige Kohlensäure nicht einfach mit ausgetragen wird (dies wird häufig als "automatische Entlüftung" bezeichnet). Schon 10 Blasen in der Minute zuviel summieren sich im Laufe eines Tages zu der imposanten Menge von 14.400 Blasen! Diese Gasmenge tropfte dann wie das entnommene Wasser aus dem Gerät und kann sich, da schwerer als Luft, wie eine Glocke auf das Becken legen. Ich bin sicher, daß viele Probleme, welche dem Kalkreaktorprinzip als solchem zugeschrieben werden (Fadenalgenwachstum etc.), aus Fehlbedienungen oder mangelhafter Sicherheitseinrichtung am Reaktor entstehen.

Dies kann einerseits das freie mit ausgetragene CO2 sein, andererseits eine zu kurze Durchlaufzeit, d.h., zu geringe Aufhärtung.

Erst wenn der Pfleger den Umgang mit dem Gerät seiner Wahl erlernt hat, sollte eine Einstellung gewählt werden, bei welcher die (nur sehr geringe Menge) überschüssiges Kohlensäuregas mit ausgetrieben wird (dies sollten nur sehr wenige Blasen/Tag sein).

Man muß sich im Klaren sein, daß ja nur für die zulaufende Menge (= ident. auslaufende Menge) CO2 benötigt wird, um diese zu sättigen. Bei 30 Wassertropfen sind dies unter 10 Blasen (in Größe dieser Tropfen).

Sinnvollerweise sollte ein Kalkreaktor 24 h laufen, da er ansonsten bei nur Tagesbetrieb doppelt soviel leisten müßte. Bei Lauf rund um die Uhr kann die Entnahmemenge im Gegensatz zum Tagesbetrieb praktisch halbiert werden und enthält somit weniger freie Kohlensäure.

Die CO2-Menge eines Kalkreaktors sollte nie in der Form geregelt werden, daß der pH Wert des Beckens ursächlich für die Zugabe in den Reaktor ist. Diese Anordnung kann nur als Sicherheitsabschaltung fungieren, da der pH Wert des Reaktors (bzw. dessen CO2-Bedarf zur Sättigung bis pH 6,8) nichts mit dem Beckenwert gemein hat. Eine Steuerung könnte nur über das Reaktorwasser selbst führen, also pH 6,8 CO2 Zufuhr abschalten, pH 6,9 anschalten. Einen Vorteil bietet diese Methode aber im Vergleich zur optischen Kontrolle (Blasenbildung bei Überschuß im Reaktor) nicht. Man benötigt hierzu darüber hinaus ein sehr präzises Meßinstrument (wobei die Meßgenauigkeit ausschlaggebend ist, nicht die Anzeigegenauigkeit!) mit regelmäßigem Wartungsaufwand für die Elektrode.

Wird ein Phosphateintrag durch die im Korallenskelett eingeschlossene geringe Menge organischer Stoffe befürchtet, läßt sich dies leicht durch vorheriges Reinigen des verwendeten Korallensandes mit 5 % Natronlauge vermeiden (ca. 24 h "einlegen").

Versuche haben gezeigt, daß sich die Leistung eines Kalkreaktors noch erhöhen läßt, wenn das Substrat "vibriert" bzw. "gerüttelt" wird. Ideal wäre hier ein Prinzip wie das der rotierenden Trommel einer Waschmaschine. Allerdings würde das die Herstellungskosten erheblich steigern und wäre sicher nur bei Großanlagen mit immensem Verbrauch vonnöten.

Einer der entscheidenden Vorteile eines CO2 Kalkreaktors dürfte meines Erachtens in seinem einfachen und wartungsarmen Betrieb liegen. Auch ohne Kenntnis der näheren chemischen Zusammenhänge (welche bei vorgenannten anderen Methoden vonnöten sind) kann der Pfleger eine ausreichende Calcium - Versorgung seines kleinen Riffs sicherstellen. Dies ermöglicht nicht nur einer kleinen Schar von "Freaks" das Halten vieler kalkverbrauchender Niederer Tiere und ist somit ein Beitrag zur Erhaltung der natürlichen Riffe, da erfolgreiche Pflege und Vermehrung im Meerwasseraquarium die Entnahmen aus der Natur auf ein Minimum reduziert.

A. Böhmert / KORALLIN


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